Transformation im B2B-E-Commerce: Komplexe Beziehungen meistern
Einleitung
In der letzten Novemberwoche veranstaltete das digitale Beratungsunternehmen Econsultancy eine zweitägige virtuelle Konferenz zum Thema The Future of E-Commerce. Von zentraler Bedeutung für diese Zukunft ist die Art und Weise, wie B2B-Unternehmen die komplexen Beziehungen mit ihrer Lieferkette und ihren Kunden mit und nach Covid gestalten.
Man war sich weitgehend einig, dass die Pandemie die Umstellung auf den E-Commerce erheblich beschleunigt hat und die Online-Verkäufe ein Niveau erreicht haben, welches nicht vor 2025 erwartet wurde. Der gesamte E-Commerce-Umsatz im Vereinigten Königreich allein verzeichnete im Jahr 2020 ein Wachstum von 36,6 % gegenüber dem Vorjahr - der größte Anstieg seit 2007.
Covid hat jedoch nichts an den grundlegenden Herausforderungen verändert, mit denen B2B-Unternehmen bei der digitalen Transformation konfrontiert sind. Darauf wies Jean-Claude Pitcho, Head of International Markets bei Ibexa, zu Beginn eines Dialogs mit dem britischen Partner Equimedia hin.
Pitcho betonte, dass digitale Initiativen schon vor Covid eine Priorität waren und die Zeiten, in denen B2B-Geschäfte auf dem Golfplatz verhandelt wurden, lange vorbei sind. „Selbst wenn sie von Angesicht zu Angesicht abgeschlossen werden“, so Pitcho, „sind die digitalen Voraussetzungen für den Abschluss entscheidend.“
Um die Situation nach Covid und die Frage zu erörtern, wie man B2B-Unternehmen dabei helfen kann, die Komplexität des E-Commerce zu meistern, tauschten zwei Experten ihre Ansichten und Erfahrungen aus: Ross Britton, Web Experience Director bei Equimedia, und Roland Benedetti, Senior Vice President of Strategy bei Ibexa. Ihr Thema? Transformation im B2B-E-Commerce: Komplexe Beziehungen meistern.
Komplexiät im B2B-Bereich
Covid hatte einen wesentlichen Einfluss auf die Kunden- und Projekttypen, mit denen Equimedia zu tun hatte. „Wir haben mit Life-Science-Unternehmen gearbeitet, die an der Entwicklung eines Impfstoffs beteiligt waren“, sagt Britton. „Wir haben auch bei hochgradig spezifischen, maßgeschneiderten regulatorischen Produkten beraten ... bei denen der Druck der Einhaltung von Vorschriften die üblichen Herausforderungen noch zu verstärken scheint.“
Für die Equimedia-Kunden liegen diese Herausforderungen in der Vielzahl der digitalen Berührungspunkte, an denen „B2B-Unternehmen für ihre Kunden präsent sein müssen.“ Um den Kunden beim Aufbau einer Omnichannel-Beziehung zu helfen, führt Britton eine andere Art von Gesprächen mit ihnen.
„Es geht darum, nicht nur über einzelne Vertriebskanäle nachzudenken, sondern darüber, wie sich all diese verschiedenen Vertriebs- und Marketingkanäle gegenseitig unterstützen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Der Aufbau dieser Omnichannel-Beziehung ist offensichtlich für alle sehr wichtig.“
Was Omnichannel besonders schwierig macht, fügt Benedetti hinzu, ist die Tiefe der Produktinformationen, die für B2B erforderlich sind. „Das ist anders als bei Verbraucherprodukten“, sagt er.
Er nennt das Beispiel von Bürkert, dem deutschen Hersteller von Mess-, Steuer- und Regelungssystemen für Flüssigkeiten und Gase. „Wenn Sie den Produktkatalog von Bürkert durchsuchen, der mit Hunderttausenden von Produkten sehr umfangreich ist, sind die Filter sehr technisch. Eine DXP-Lösung muss in der Lage sein, diese hochtechnische Detailtiefe zu implementieren und im Falle von Bürkert über 30 Länder hinweg zu skalieren. Zudem muss das Erlebnis - die Art und Weise, wie man diese unglaubliche Komplexität präsentiert - reibungslos und einprägsam sein, denn das ist es, was wir von B2C gewohnt sind!“
Alles dreht sich um die Customer Experience, sagt Benedetti.
Kultur und Technologie in Einklang bringen
Zur Veranschaulichung, wie wichtig die Unternehmenskultur bei der digitalen Transformation ist, zieht Benedetti das Beispiel eines viel kleineren B2B-Unternehmens heran, Café Royal Pro, das Kaffee-Abonnements für mittlere und große Unternehmen anbietet, "manchmal mit Hunderten von Verkaufsstellen".
„Café Royal Pro stellt seit acht Jahren Kaffee her und gehört zu einem großen und traditionellen Schweizer Einzelhandelsunternehmen namens Migros. Das Unternehmen beschloss, den B2B-Markt sehr offensiv anzugehen. Die Website von Café Royal Pro war innerhalb von nur drei Monaten einsatzbereit, und schon wenige Wochen später konnten sie Hunderte von Kunden für ihr neues Geschäftsmodell gewinnen.“
„Die Schlüsselwörter waren Agilität und Schnelligkeit“, sagt Benedetti, „aber auch Ausrichtung. Café Royal Pro verhält sich wie ein Start-up, wie ein typischer digitaler Akteur. Der Erfolg ist darauf zurückzuführen, dass Mikros die Ideen und Ziele des Unternehmens voll und ganz unterstützt hat.“ Britton stimmt dem zu.
„Damit ein Change-Projekt erfolgreich ist, muss man von Anfang an die richtige Führung haben. Wenn die richtigen Interessengruppen nicht frühzeitig einbezogen werden, investiert man in Veränderungen, von denen die Menschen nicht überzeugt sind.“
„Sie können die beste Technologie der Welt haben, aber ohne die entsprechenden Mitarbeiter, die sie vorantreiben, werden Sie nicht die gewünschte agile Veränderung erreichen.
Am meisten Angst vor Veränderungen haben die Vertriebsmitarbeiter“, sagt Benedetti.
„B2B-Commerce wird definitiv als eine echte Bedrohung für alle B2B-Vertriebsmitarbeiter angesehen“, sagt er, „daher muss man dies bei der Umstellung berücksichtigen, damit der Vertrieb nicht auf Widerstand stößt, sondern bereit ist, sich auf E-Commerce einzulassen.“
„In den meisten B2B-Unternehmen spielt der Vertrieb immer noch eine Rolle ... eine andere, mehr beratende Rolle und wahrscheinlich mit einer anderen Vergütungsstruktur ... aber er wird in dem Prozess immer noch dringend gebraucht. Man muss den Vertrieb mit ins Boot holen.“
Vom Wandel zum Wachstum
Eine der Fragen, die Equimedia am häufigsten gestellt wird, ist die nach dem richtigen Weg zum Wachstum. Ist es „klassischer“ E-Commerce oder ist es ein Marktplatz? Während des Lockdowns unterstützte Britton mehrere B2B-Unternehmen dabei, direkt an ihre Endkunden zu verkaufen, nachdem ihr Großhandelsvertriebsprozess zusammengebrochen war. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen hat Equimedia ein digitales Tool und ein Framework namens equi connect auf den Markt gebracht, um Unternehmen bei der Umstellung auf D2C zu unterstützen.
„Woher wird unser Wachstum, unsere nächste Wachstumsphase, kommen? Das ist die Frage, die wir gestellt bekommen.“
„Eine großartige Frage“, sagt Benedetti, „und die Antwort liegt in der Beschreibung, die soeben gegeben wurde. Für einige B2B-Unternehmen, die in ihrer Transformation noch nicht wirklich ausgereift sind, sind Marktplätze ein großartiger Wachstumshebel. Sie können dort anfangen und werden ein gewisses Wachstum erzielen. Aber wahrscheinlich müssen sie früher oder später ihre Vertriebskanäle diversifizieren, denn auf einem Marktplatz ist man nicht die einzige Option.“
Um den nächsten Schritt zu wagen und direkt über die eigene E-Commerce-Plattform zu verkaufen, ist ein starker Wiedererkennungswert der Marke erforderlich, vor allem, wenn man an die Endverbraucher seines Produkts oder seiner Dienstleistung verkaufen möchte.
„Unsere Idee, die wir für wirklich wichtig halten, ist, dass Wachstum eine Strategie erfordert, bei der man verschiedene Kanäle bedient. Casper, das Matratzenunternehmen, ist eine Ikone des B2C-Modells - aber es verkauft auch über Kaufhäuser. Sie haben sich für die Nutzung aller Kanäle entschieden.“
Ein Ibexa-Beispiel für diese dynamische Wachstumsstrategie ist die Groupe Atlantic, ein französischer Hersteller von Klimaanlagen und Heizsystemen für Unternehmen und Verbraucher. „Das Unternehmen verfügt über mehr als 20 Marken“, sagt Benedetti, „und Ibexa unterstützt die digitalen Initiativen für viele dieser Marken.“
Die Groupe Atlantic hat ihre B2B-Portale für Fachleute neu gestaltet. Ihr früherer produktorientierter Ansatz erforderte, dass professionelle Nutzer auf vielen verschiedenen Webseiten navigieren mussten: eine für jede Marke der Groupe Atlantic oder jedes Produkt, mit dem sie zu tun hatten. Mit dem neuen rollenbasierten Ansatz gibt es eine einzige Webseite für alle Marken, und der Zugang ist in Ibexa für die verschiedenen professionellen Nutzer personalisiert.
„Das ist großartig, es funktioniert sehr gut“, fügt Benedetti hinzu. „Doch das ist nicht der wichtigste Punkt für mich. Was mir an der Groupe Atlantic gefällt, ist, dass man experimentiert. Sie probieren verschiedene Ansätze für verschiedene Marken aus und lernen daraus. Für eine Marke umgehen sie ihr Großhandelsvertriebsnetz - genau wie einige Kunden von Euch, Ross. Und sie lernen aus dieser Erfahrung.“
„Darin sehe ich die Zukunft des Wachstums, wenn Sie so wollen - in einer agilen Vielfalt von Ansätzen und Vertriebskanälen.“
Aufbau von Kundentreue
Bei der letzten Frage der Veranstaltung ging es um Loyalität. Sie wurde von Britton formuliert.
„Wie baut man Kundentreue auf, wenn Dritte [Distributoren, Großhändler] möglicherweise im nächsten Jahr in den Ruhestand gehen? Wir wissen, dass das eine große Veränderung ist: die Bedeutung von Erstanbieter-Daten. Die CRM-Daten werden wichtiger werden als je zuvor. Darüber hinaus spielt die Authentizität und das Vertrauen in die Marke eine große Rolle, denn es gibt mittlerweile so viele verschiedene Marken, die um dieselben Kunden konkurrieren.“
Für Benedetti und Ibexa ist dies vermutlich die zentrale Herausforderung bei der Steuerung von Beziehungen im B2B-E-Commerce. „Die Marken haben viel an Einfluss verloren; es ist nicht mehr die Marke, die für Sie entscheidet, sondern der Kunde. Und das gilt im B2B- genauso wie im B2C-Bereich.“
Diese Verschiebung in der Beziehung zwischen Marke und Kunde ist besonders relevant für B2B-Unternehmen, die in einem mehrschichtigen Vertriebsmodell arbeiten, in dem sie den Vertrieb nicht einfach umgehen können. „Nicht alles ist so einfach, dass man es umgehen kann“, sagt Benedetti, „oder man kann es aufgrund von Vorschriften nicht.“
Ein Beispiel für ein solches Geschäftsmodell ist Essilor, der weltweit größte Hersteller von Brillengläsern. Essilor vereint viele der von Britton und Benedetti erörterten Themen: die Komplexität mehrerer Sprachen (Essilor ist in 22 europäischen Märkten tätig) und die Flexibilität seiner Marketingstrategien.
„Was die Frage der Loyalität angeht, so baut Essilor diese mit seinem Vertriebsnetz, den Optikern, auf. Früher bestand man auf ein luxuriöses Branding und gab den Optikern Anreize in Form von Geschenken und Ähnlichem. Der Ansatz ist jetzt ein völlig anderer.“
„Sie haben Tools zur Lead-Generierung, mit denen sich die Kunden mit den verschiedenen Essilor-Marken vertraut machen können und dann einen Termin beim nächstgelegenen Optiker vereinbaren können. Essilor schickt Leads und Traffic an sein Vertriebsnetz, wozu ein kleineres Unternehmen nicht in der Lage wäre.“
„Außerdem stattet Essilor sein Vertriebsnetz mit Personalisierungsfunktionen aus. Der Kunde kann seine Reise auf der Essilor-Website beginnen, um sich zu informieren und die Brillengläser zu konfigurieren, die er möchte und braucht. Daraufhin wird er seine Reise fortsetzen und wahrscheinlich beim Optiker landen. Es geht hier nicht um reinen E-Commerce, sondern um mehr als E-Commerce. Es geht um die Frage, wie man sowohl mit seinem Vertriebsnetz als auch mit dem Endkunden eine Loyalität aufbauen kann, ohne dass der letzte Schritt des Kaufs in der Hand des Kunden liegt.“
„Das ist brillant. Das ist das Denken der Zukunft“, so Benedetti abschließend.
Britton und Benedetti waren sich einig, dass sie noch stundenlang über diese Herausforderungen und innovativen Lösungen hätten diskutieren können. Wenn Sie eines der in ihrem Meinungsaustausch angesprochenen Themen besprechen möchten, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.